3. Geschichtl. Überblick üb. b. Wirtschaftsleb. u.d. Finanzwesen in Preußen u. Deutscht. 51
Förderung. Der Weichselhandel sollte durch den Bromberger Kanal nach
Stettin gezogen werden, der Plauesche und Finowkanal sollte den Elb-
handel in die Oder lenken. Die Weichselregulierung erfolgte zugunsten
Elbings und des Hafens Neufahrwasser. Swinemünde wurde Stützpunkt
gegen den schwedischen Handel. Eine Ostasiatische und Levantische Handels-
gesellschaft in Emden sollte den Blick aufs hohe Meer lenken. Das Mer-
kantilsystem hatte unter Friedrich seine schärfste und folgerichtigste Aus-
bildung gefunden.
d) Friedrich Wilhelm Ii. und Iii.
Friedrich Wilhelm Ii. verharrte bei dem System seines großen Vorgängers, wenn
auch die neue Theorie der Physiokraten schon Eingang fand. Tabak- und Kaffee-
monopol fielen, aber die Einnahmen der Akzise gingen zurück.
Unter Friedrich Wilhelm Iii. kam es trotz größerer Sparsamkeit zu keinerlei
Fortschritten auf den Gebieten des Finanzwesens und Wirtschaftslebens, bis 1806 der
große Zusammenbruch eintrat.
I)) Das neue Preußen seit 1807 und das Reich.
cc) Die Reformen nach 1806. Stein und Hardenberg.
Die Stein-Hardenbergische Reform brachte auf dem Gebiete des
Finanzwesens ein eigenes Ministerium. Die Steuerfreiheiten hörten auf. ix, m
Die Einkommensteuer war die feste Grundlage, dazu kam die Grundsteuer,
die vom Lande auf die Städte ausgedehnt wurde. Eine Stempel-, Erb-
schafts- und Zeitnngssteuer vervollständigten das System. Die Städte er-
hielten die Aufhebung des Zunftzwanges, der Verkaufsmonopole und die
Gewerbefreiheit, also größere Beweglichkeit in Handwerk, Handel und In-
dustrie. Der Unterschied zwischen Stadt und Land wurde gemildert. Die Qu. n, 69
ländlichen Verhältnisse wurden umgestürzt durch die Bauernbefreiung. Die
Erbuntertänigkeit wnrde aufgehoben, die besonders da drückend war, wo
sie mit nichterblichem (lassitischem) Grundbesitz verbunden erschien. Ein Qu. 11,70
freier Bauernstand mit freiem Eigentum war im Werden. Es entstand Qu. 1, 13
aber neben ihm ein ländliches Proletariat, da die ärmsten Bauern als
Jnstleute zu Gutstagelöhnern wurden; sie waren verpflichtet, gegen Geld-
lohn oder Ernte- und Dreschanteile zu arbeiten und lebten in dürftigen ix, 179
Wohnungen mit etwas Acker- und Gartenland. Alle Frondienste wurden
abgelöst, der Gemeindebesitz verfiel der Aufteilung durch Generalkom-
missionen.
ß) Der Ausbau des Reformwerkes bis 1840. ix, 202
Der Ausbau dieser Einrichtungen wurde nach dem Kampfe mit Na-
poleon fortgesetzt.
Ein Schuldenverwaltungsfonds sollte zur Erleichterung der großen Schuldenlast
dienen. Durch die Reform der Steuerverwaltung sowie die Durchführung einer Klassen-
steuer gelang es, die Staatsschuld zu beseitigen. Ein neues Münzgesctz bestimmte, daß
eine feine Mark — 14 Talern, zu je 30 Silbergroscheu, zu je 12 Pfennig sein sollte.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Hardenberg
Vorwort.
Das höchste Gut des Volkes
ist sein Staat. F. Dahn.
Die vorliegende „Staatsbürgerkunde" bietet eine auf der gesamten ge-
schichtlichen Entwickelung beruhende vergleichende Übersicht über die Grund-
lagen und Aufgaben des Staates, zugleich aber eine systematische Darstellung
des gesamten Staatslebens. Sie ist von dem Unterzeichneten zunächst als
Ergänzung der in dem Geschichtslehrbuch für böhere Üebransialten von
Schenk-Koch gebotenen planmäßigen Behandlung der verfassungs-, staats-
wirtschaftlichen und allgemein kulturellen Fragen verfaßt worden. Sie
kann aber auch als etwas durchaus Selbständiges betrachtet und in diesem
Sinne benutzt werden.
Das Gebotene liegt ganz in der Richtung des neuesten Ministerial-
erlasses über den Geschichtsunterricht. Das Verständnis für den Staat der
Gegenwart soll geschichtlich vertieft werden. Große Durch- und Überblicke
werden bei der Zusammendrängung des Stoffes nötig sein. In der Reife-
prüfung soll den Schülern Gelegenheit gegeben werden, zu zeigen, „ob sie
sich mit der vergleichenden Geschichtsbetrachtung vertraut gemacht haben,
und ob sie imstande sind, den inneren Zusammenhang größerer Zeitabschnitte
zu erkennen".
Zu all dem will die Staatsbürgerkunde die Hand bieten. Überall
sind Verweisungen auf die bisher vorliegenden Hefte der „Quellensammlung
für den geschichtlichen Unterricht" beigefügt. Sie sollen andeuten, wo ge-
gebenenfalls durch Heranziehung von Qnellenstücken Wiederholungen lebens-
voller gestaltet werden können. \
Das deutsche Staatsgefüge hat sich im Sturme des Weltkrieges als
dauerhaft erwiesen. Möge die vorliegende Arbeit bei unserer Jugend und
in unserem Volke zur Weckung und Förderung eines lebendigen Staats-
gefühls beitragen!
Berlin und Potsdam, im Herbst des Kriegsjahres 101 f>.
J)r. Hans Kania.
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
53
mit der französischen Automobilindustrie auf. Alle Handwerksbetriebe wuchsen ins
Große und Fabrikmäßige. Das Handwerk mußte in die kleinen Städte abwandern, ix, 28i
hielt sich aber mit veränderten Aufgaben auch in den Großstädten. Die Großbanken,
Deutsche Bank, Dresdener Bank, Nationalbank für Deutschland, gingen mit dein
Großunternehmertum Hand in Hand.
Verkehr und Handel wuchsen mächtig empor.
Das Eisenbahnnetz wuchs auf über 60 000 Irrn. Das Kanalnetz wurde seit 1870
um das Vierfache erweitert. Neben dem Kaiser-Wilhelm-Kanal ist hier der Groß- ix, 28a
schiffahrtsweg Berlin-Stettin zu nennen. Elektrischer Bahn- und Kraftwagenverkehr
nahm zu und trat in die Dienste des Handels und Gewerbes. Die Telegraphie und
der Fernsprecher waren im Verkehrs- und Wirtschaftsleben in Stadt und Land un- ix, 28t
entbehrlich. Die Post entwickelte sich auf dem Gebiete der Brief- und Paketbeförderung
nach dem Grundsätze der Schnelligkeit und Billigkeit, sie nahm am Weltverkehr teil.
Eine einheitliche Maß- und Münzordnung schuf Sicherheit im Handel. Es gilt die
Goldwährung (Gold ist einziger Wertmesser) und seit 1876 die Markwährung. Das
Kreditwesen steigerte sich gewaltig, ihm diente die Deutsche Reichsbank sowie die ix, 28t
Seehandlung als preußische Staatsbank. Der Scheckverkehr wurde durch die Einrich-
tung von Postscheckämtern gefördert. Die großen Schiffahrtsgesellschaften (Lloyd, Ham-
burg-Amerikalinie) nahmen teil am Weltverkehr, die deutsche Welthandelsflotte nahm
in der Welt die zweite Stelle ein.
In der Landwirtschaft wirkte die ausländische Überlegenheit an Vieh
und Getreide preisdrückend, die inländische Industrie entzog dem Lande
die Arbeitskräfte. Allerdings wurde die Lage der Landwirtschaft seit dem
verstärkten Anziehen der Schutzzölle (nach dem Abgang Caprivis) besser.
Man arbeitete mit allen Errungenschaften der Wissenschaft (Agrikultur-
chemie) und Technik (landwirtschaftliche Maschinen), man hob dadurch den
Ertrag des Bodens. Auch der Wert des Bodens steigerte sich erheblich.
So konnten 7/8 des Bedarfs an Brotgetreide und 95 vom Hundert an Fleisch
in Deutschland selbst gedeckt werden. Damit war die Landwirtschaft in der
Lage, im Kriegsfälle einer Aushungerung zu begegnen.
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen und Deutschland,
a) Die preußischen Finanzen.
a) Die Behörden.
Das Finanzministerium in Preußen besteht seit 1810. Ihm
untersteht die Generallotteriedirektion, die Münze in Berlin, die Verwal-
tung der direkten Steuern sowie der indirekten Stenern und Zölle.
Zur Verwaltung des letzten Gebietes gehört das Hauptstempelmagazin. Der Ab-
teilung für indirekte Steuern im Finanzministerium sind die Oberzolldirektionen unter-
geordnet. Der Finanzminister leitet die Generalstaatskasse und die Verwaltung der
Staatsschulden. Er hat die Seehandlung als preußische Staatsbank unter sich, der
wieder das königliche Leihamt untersteht.
Die Kontrolle führt die Oberrechnungskammer.
ß) Einnahmen des Staates.
Die Einnahmen des Staates ergeben sich aus dem Staatsbesitz
und Staatsbetrieb.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr]]
Extrahierte Personennamen: Lloyd Caprivis
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschland Berlin
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
55
Die sogenannten Matrikularbeiträge, auf Grund eines Verzeichnisses festgestellte
Beiträge der Einzelstaaten, sollten ursprünglich als Ergänzung dienen für die durch
Steuern nicht gedeckten Bedürfnisse des Reiches. Sie sind von den Einzelstaaten nach
Maßgabe der Kopfzahl zu entrichten. Ihre Wirksamkeit wurde lahmgelegt durch die
Frankensteinsche Klausel, wodurch Mehrerträge aus indirekten Steuern au die Einzel-
staaten zurücküberwiesen wurden.
y) Die indirekten Steuern.
Die wichtigsten Einkünfte ergeben sich ans den in direkten Stenern,
die dem Reiche nahezu ganz überlassen sind. Sie gehen mittelbar ans
Grenzzöllen, Verbrauchsabgaben, Stempelabgaben hervor. Die Grenz-
zölle sind reine Finanzzölle, wenn sie vom Auslande getragen werden.
Sie liegen auf Leuchtöl, Benzin, Schmieröl, Kaffee, Kakao, Tee, auslän-
dischem Tabak.
Sie sind weiterhin reine Schutzzölle. Die Landwirtschaft wird durch
Getreide-, Vieh- und Holzzölle geschützt, die Industrie durch Eisen-, Leinen-,
Baumwollen-, Wollen- und Seidenzölle. Als Verbrauchssteuern be-
zeichnet man die Abgaben von Schaumwein, Branntwein, Zucker, inländischem
Tabak, Salz, Leuchtmitteln sowie die Braustener. Die R eichsstemp el-
fte uern betreffen den Wechselverkehr, Aktien und Schuldverschreibungen,
Lotterielose, die Börse, Frachturkunden, Eisenbahnfahrkarten, Spielkarten.
d) Die Reichsschuld.
Weitergehende Bedürfnisse des Reiches werden durch Anleihen ge-
deckt, durch die die Reichsschuld auf 61/i Milliarde stieg.
Für den Heeresbedarf wurde 1913—16 ein einmaliger Wehrbeitrag erhoben.
Die Verwaltung der Reichs schulden führt die Reichsschuldenverwal-
tung unter Überwachung der Reichsschuldenkommission. Das Reichsver-
mögen, das den Reichsschulden gegenübersteht, besteht aus den Reichs-
eisenbahnen in Elsaß-Lothringen, dem Reichskriegsschatz (mehr als eine
halbe Milliarde), dem Reichsinvalidenfonds.
e) Die Landwirtschaft.
«) Behörden.
An der Spitze des Landwirtschaftswesens steht in Preußen das Mini-
sterium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Die oberste Be-
hörde für das landwirtschaftliche Vereinswesen ist das Landesökonomie-
kollegium, unter dem in allen Provinzen Landwirtschaftskammern
eingerichtet sind.
ß) Der Ausbau der Agrargesetzgebung.
Die Agrargesetzgebung ist seit der Zeit Steins weiter ausgebaut
und zum Abschluß gebracht worden. Sie erstreckt sich im wesentlichen auf
die Ablösung und die Gemeinheitsteilungen.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
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4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
57
Den Privatpvstanstalten ist damit der Boden entzogen worden. Das
Briefgeheimnis ist unverletzlich.
Die Postsendungen müssen von der Eisenbahn für Packereien bis zu 10 kg in
einem zur Verfügung gestellten Wagen unentgeltlich befördert werden. Für weitere
Wagenstellung tritt Vergütung ein.
Das Porto ist gesetzlich festgestellt und die Portofreiheiten grundsätz-
lich geregelt. Der Verkehr im Jnlande ist erleichtert durch das einheitliche
Porto und die Herstellung einer täglichen alle Orte berührenden Postver-
bindung. Durch die Einführung des Postscheckverkehrs soll dem Mittel-
stände in Landwirtschaft und Gewerbe der Vorteil des Überweisungssystems
wie beim Giroverkehr der Reichsbank gewährt werden.
Jeder kann ein Postscheckkonto bei der Post errichten und Überweisungen an dies
Konto durch Vermittlung der Postbehörde vornehmen lassen.
Die Reichspost ist dem Weltverkehr durch Anschluß an den Welt-
postverein dienstbar gemacht worden. Die Telegraphie gehört dem
Internationalen Telegraphenverein an. Das Weltpostporto und
die Telegraphengebühren für das Ausland stellen durch Einheitlichkeit und
Niedrigkeit der Taxen eine gewaltige Berkehrserleichternng her.
y) Die Eisenbahnen.
Das Eisenbahnwesen ist für alle wichtigen Linien staatlich geworden.
Die Eisenbahnverwaltung ist im Reiche unter den Bundesstaaten verteilt.
Die Bahnen zerfallen in Hauptbahnen, Nebenbahnen, Kleinbahnen. Die
Nebenbahnen zum Teil und die Kleinbahnen sind privater Anlage über-
lassen.
Die elektrischen Bahnen in den Städten sind in der Hand der Stadtgemeinden oder
der Privatgesellgeschaften.
Die Eisenbahntarife erstreben Gleichmäßigkeit und Billigkeit. Der wirt-
schaftliche Verkehr, die Bedürfnisse von Handel, Landwirtschaft und In-
dustrie sollen möglichst berücksichtigt werden. Besonders ist das der Fall
bei größeren Entfernungen für die unentbehrlichen Roherzeugnisse wie
Kohlen, Erze, Düngemittel. Der Fracht- und Güterverkehr ist die Haupt-
einnahmequelle für die Bahn, der Personenverkehr kommt erst in zweiter
Linie.
e) Kapitalspflege, Handel, Gewerbe (Industrie).
a) Behörden.
Große Zweige des Wirtschaftslebens umfaßt in Preußen das Mini-
sterium für Handel und Gewerbe.
Es sorgt für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen, den Handel und die Ge-
werbe. Es führt die Gewerbeaufsicht und leitet das Gewerbeschulwesen.
Im Reiche ist dieser Zweig des Wirtschaftslebens dem Reichs amt
des Innern zugewiesen.
Seine zweite Abteilung ist für Versicherungswesen und Aktiengesellschaften, Ge-
nossenschaften, Gewerbesachen zuständig, die dritte für Bank- und Börsenwesen, Pa-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
2
I. Staatsverfassung. A. Geschichtliche Übersicht
Die Könige teilten ihre Macht mit dem Rate der Alten. Die eigentliche Regie-
Qu. i, i rungsgewalt lag in den Händen der Ephoren, die von der Vollbürgerversammlung
gewählt wurden und oberste Staatsaufsicht führten. So war hier die Herrschaft der
„wenigen" am klarsten zum Ausdruck gekommen.
In Athen wurde die Herrschaft der „Besitzenden" (Timokratie) durch
u. 1,1 »vii,50 Kleisthenes zur reinen Demokratie entwickelt. Durch Perikles erhielt die
Volksherrschaft die weitere Ausbildung.
Kleisthenes löste die alten Geschlechterverbände auf und machte alle Bewohner
Attikas zu Vollbürgern. Aus den gleichberechtigten Vollbürgern ging durch Wahl der
Rat hervor, in dem also jede Dorfgemeinde (Wahlkörper, Demos) vertreten war. Der
Vorsitz im Rat wechselte unter den zehn Phylen zehnmal im Jahr, so daß die Bill
düng einer aristokratischen Regierungsform ausgeschlossen war. Die Formen der reinen
Qu. i, i Demokratie seit Perikles waren: 1. die Übertragung der Gesamtregierungsgewalt auf
vii, 75 das Volk (der souveräne Sfj^iog), 2. die Bolksgeschworenengerichte, 3. die jährliche
Qu. ii, i Wahl der Beamten durch das Los, 4. die politische Heranziehung der untersten Klassen
durch Staatssold als Entschädigung für verlorene Arbeitszeit.
Qu i, i In demokratischen Staaten entwickelt sich oft die Tyrannis. Der Tyrann
vii, bi stützte sich gegen die aristokratischen Bestandteile auf das Volk, umgab sich
mit einer Leibwache, führte eine Eroberungspolitik (Pifistratus in Athen).
Seine Herrschaft ist die auf die Beeinflussung breiter Volksschichten ge-
stützte Militärmonarchie. Sie fand Ausbildung vornehmlich in der soge-
vii, 97 nannten „jüngeren" Tyrannis in Sizilien (Dionysios I.). Auch die Form
des Bundesstaates hat Griechenland bereits aufzuweisen. Wir finden
Qu. i, i sie schon beim ersten Attischen Seebund. Athen führte in ihm als Vorort
vii, 74 die Herrschaft, die Bundesglieder der Symmachie sanken zu Untertanen
u.1,2 * Vii,96 herab. Der zweite attische Seebund war mehr eine Art Staatenbund als
Vii, 111 ein Bundesstaat. Bundesstaaten neuer Art waren später der Ätolische und
der Achäische Bund.
Der Achäische Bund vereinigte eine Reihe von Stadtstaaten (Politien) miteinander.
Dieser Bund städtischer Republiken ähnelt etwas der amerikanischen Union. Der Äto-
lische Bund, eine Vereinigung von Bauernstaaten, dürfte mit der Schweizer Bundes-
republik zu vergleichen sein. Diese Bünde schufen sich eine Zentralgewalt in dem
Bundesrat und Bundestag, dem Bundeskanzler und dem Bundesfeldherrn.
Eine neue Macht trat in den Kreis des Hellenentums durch das make-
vii, los d o n i sch e K ö n i gtu m. In Makedonien bestand eine starke nationale Mon-
archie, die sich auf die allgemeine Wehrpflicht des Volkes und einen ergebenen
Kriegsadel stützte. Diese Königsherrschaft war zwar unumschränkt (absolut),
aber doch an Gesetz und Herkommen gebunden; sie trug nicht den göttlich-
vii. i08 willkürlichen Zug der Despotien des Ostens. Erst Alexander der Große
knüpfte wieder an die östlichen Überlieferungen an, verlangte für sich gött-
liche Ehren, übernahm den persischen Unterschied zwischen dem Oberherrn
und seinen Sklaven, erwählte Babylon, den Mittelpunkt des alten Orients,
zum Herrschersitz. Er griff damit auf die älteste Staatsform des Ostens
vii, iio zurück. Seine Nachfolger, die Diadochen, in Syrien und Ägypten hielten
Qu. i, 3 an dem göttlichen Königtum des Reichsgründers fest.
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T2: [Athen Stadt Sparta Griechenland Insel Krieg Korinth Peloponnes Theben Staat], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T22: [Athen Athener Sparta Solon Spartaner Staat Jahr Stadt Krieg Mann], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
Extrahierte Personennamen: Dionysios_I. Dionysios_I. Alexander Alexander
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
5s)
Sie sott den Geldumlauf im Reiche regeln, die Zahlungsausgleichungen erleichtern
und verfügbares Kapital nutzbar machen. Für die Deckung der ausgegebenen Bank-
noten muß Vs des Betrages in Geld, Kassenscheinen, Barren oder Münzen als Deckung
vorhanden sein.
Die Kapitalsbildung vollzieht sich gegenwärtig in der eigenartigen Form
der Beweglichmachung des Kapitals. In früheren Zeiten wandte sich
der Staat an Geldleute, die ihm etwa gegen Verpfändung von Steuern
das nötige Kapital zur Verfügung stellten. Bei den sehr großen Geld-
bedürfnissen der Neuzeit wurde der Bankier aus dem Geldgeber zum Ver-
mittler zwischen dem Staat und zahlreichen Geldgebern. Das Haus Roth-
schild in London schloß zuerst mit dem preußischen Staate eine Anleihe
ab, teilte sie in kleinere Abschnitte runder Beträge und verkaufte diese an
alle, die nach einer sicheren verzinslichen Anlage ihres erworbenen oder
ersparten Geldes suchten. Die Zinszahlung an die Inhaber der Anteile
wurde später wesentlich vereinfacht. Jeder erhielt einen Zinsschein(Coupon-)-
bogen. Von diesem wurden am Fälligkeitstermin die Zinsscheine abge-
trennt und durch Vermittlung der Banken eingelöst. So wurde das Kapital
durch seine Versinnbildlichung mit Hilfe des Papiers beweglich gemacht.
Auch der Wechsel macht den Geldverkehr beweglicher, weil er das Hin-
und Hersenden größerer Geldmengen beseitigt. Ein Kaufmann hat eine
Forderung an einen entfernten Schuldner. Er schreibt in gesetzlich vorge-
schriebener Form einen Wechselbrief an seinen Schuldner und läßt sich von
seinem Bankier gegen Auslieferung des Briefes den Betrag nach Abzug
der Zinsen (des Diskontes) auszahlen. Der Schuldner bestätigt aus dem
Briefe sein Einverständnis, und der Wechselbrief kann bis zum Fälligkeits-
tage als Geldersatz durch die Welt gehen. Der Staat und die Gemeinden
können große Anleihen durch Vermittlung der Banken aufnehmen, die
in kleine Verschreibungen eingeteilt von zahlreichen Gläubigern über-
nommen werden. Vielfach befreit sich der Staat von der Vermittlung und
tritt mit der Anleihe unmittelbar an die Geldgeber heran. Großen Unter-
nehmungen auf dem Gebiete des Bankwesens oder der Industrie dienen
die Aktiengesellschaften.
Die Aktiengesellschaft bedarf der staatlichen Genehmigung nicht. Es ist eine
Gesellschaft, an der die Mitglieder mit Einlagen ohne persönliche Haftung beteiligt
sind. Das Einlagekapital ist in unteilbare Aktien zerlegt, die gewöhnlich auf den
Inhaber lauten, also ohne Förmlichkeit weiter gegeben werden können. Die General-
versammlung und der Aufsichtsrat nehmen die Rechte der Gesellschaft wahr. Nach
außen hin wird sie durch den Borstand vertreten. Für die Bildung und Verwal-
tung einer solchen Gesellschaft find durch das Handelsgesetzbuch genaue gesetzliche
Grundlagen geschaffen.
y) Der Handel und die Börse.
Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und ihren Angestellten werden durch Kauf-
mannsgerichte entschieden. Handelskammern vermitteln zwischen den Behörden
und den handeltreibenden Kreisen. Das deutsche Handelsgesetzbuch befaßt sich mit dem
Kania, Bürgerkunde 5
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
4
I. Staatsverfassung. A. Geschichtliche Übersicht
machte. Der Senat wurde zum „Stadtrat" von Rom erniedrigt. Das
Kaisertum nahm orientalische Formen (Hofzeremoniell) an. Seit Konstantin,
vii, 222 aber vor allem seit Theodosius bekam das Kaisertum auch die religiöse
Weihe des Christentums. Der Kaiser wurde Stellvertreter und Abbild
Gottes auf Erden. Die vollste Ausbildung fand diese Stellung des Herr-
schers im byzantinischen Reiche. Der gottgeliebte Kaiser wurde als selbst
göttlich nach Sklavensitte verehrt. Die von Gott geweihte Despotie war
hier das Ende der Entwickelung. Das Kaisertum nahm so einen theokra-
Viii, 22 tischen Charakter an.
Im Verlaufe der politischen Entwickelung im Altertum ist der Begriff der Bürger-
pflicht und politischen Freiheit ausgebildet worden. Dagegen ist das Altertum nicht
dazu gelangt, größere Gebiete zusammenzufassen und sie durch einen Einzelnen ver-
treten zu lassen. Der Begriff einer modernen Volksvertretung fehlt dem Altertum.
2. Mittelalter.
a) Das theatralische Kaisertum der Übergangszeit.
Das alte germanische Heerkönigtum entwickelte sich bei den Franken
zum Reichskönigtum und gewann absoluten Charakter. Alle Entscheidung
vili, 35 lag in der Hand des Königs, der durch seine Grafen herrschte. Dies frän-
kische Reichskönigtum gewann unter Karl dem Großen universale Bedeu-
tung. Schon Chlodwig hatte die Weihe der päpstlichen Anerkennung er-
Viii. 53 fahren, Karl war der das Römische Reich lenkende, von Gott gekrönte Au-
Q,1.1.7. ii, 3i gustus. Ein th eokratisches Kaisertum auf germanischer Grundlage war
viii, 65 entstanden. Der Erneuerer des Kaisertums, Otto der Große, und seine
Qu. ii, 32 Nachfolger hielten an der theokratischen Grundlage und der Macht über
die Kirche fest, wenn sie auch in ihrer weltlichen Herrschaft durch das Auf-
kommen der großen Lehnsgewalten beschränkt wurden. Unter den salischen
vii, , 73 Herrschern ist Heinrich Iii. der letzte Oberherr der Kirche.
I») Entwickelung des Ständetums.
Mit der Entwickelung des Lehnswesens erwachsen überall ständische
Qu. i, 9 Gewalten. Unter ihnen gewinnen die großen Lehnstrüger, und zwar
die geistlichen wie die weltlichen, immer mehr an Bedeutung. Dazu treten
Qu. ii, 38 dann später noch die Städte. Dies Ständetum schränkt die Macht des
vmni’m.' Königtums von unten her erheblich ein, da ihm der Landbesitz „Macht"
121.122 verleiht.
Nur in zwei Staaten gelang es dem Königtum schon im Mittelalter,
die Ständemacht zu brechen oder erheblich zu beschränken. Es herrschte
durch seine besoldeten Beamten und die Militärmacht, die ihm zur Ver-
fügung stand. Dieser fürstliche Absolutismus ist gegenüber den Ständen
viii, i09 das modernere Element. Friedrich Ii. gründet die Monarchia Sicula,
und die französischen Könige, Philipp Iv., der Schöne, Karl Vii., Lnd-
Ii-Tm. m wig Xl, schränken die ständische Macht immer mehr ein.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
Extrahierte Personennamen: Konstantin Theodosius Gott Karl Karl Chlodwig Karl Karl Gott Otto Heinrich_Iii Heinrich Friedrich_Ii Friedrich Philipp_Iv. Philipp_Iv. Karl_Vii Karl
Viii. Sozialpolitik. 1. Vorbemerkungen. Sozial, sozialist., sozialdem. Kommunismus 61
Arbeitsvertrag, der Arbeiterschutz, die Ausbildung. Für Streitigkeiten, die sich aus
das Arbeitsverhältnis beziehen, bestehen Gewerbegerichte. Die Arbeiterversicheruug
umfaßt Krankheit, Unfall, Arbeitsunfähigkeit, Alter. Die oberste Behörde ist auf diesem
Gebiete das Reichsversicherungsamt. Eine Förderung des Gewerbes findet statt
durch die technischen Hochschulen, Baugewerk-, Fach- und Fortbildungsschulen. Erfin-
dungen, die eine gewerbliche Verwertung zulassen, werden durch Patente geschützt.
Diese werden von dem Kaiserlichen Patentamte in Berlin erteilt.
Viii. Sozialpolitik.
1. Vorbemerkungen. Sozial, sozialistisch, sozialdemokratisch.
Kommunismus.
Die Begriffe „sozial", „sozialistisch", „sozialdemokratisch" müssen gegen-
einander abgegrenzt werden. Sozial leitet sich ab von soeietas, Genossen-
schaft, Gesellschaft. Es heißt also „gesellschaftlich", und man versteht unter-
sozialen Zustünden die Zustände innerhalb der menschlichen Gesellschaft
oder Gemeinschaft. Die „soziale Frage" betrifft demgemäß die Be-
ziehungen der einzelnen Gesellschaftsklassen untereinander, vornehmlich das
Verhältnis einer Klasse zu den übrigen. Die soziale Frage der Gegenwart
war zunächst die Frage nach der Stellung der Arbeiterklasse zu den übrigen
Klassen des Volkes. Sie schien ganz und gar in den Vordergrund zu
treten, aber die Hebung und Stärkung des Mittelstandes ist eine „soziale"
Frage von gleich allgemeiner Bedeutung. Das Wort „sozialistisch" hat
den Sinn von „vergesellschaftlichend" angenommen. Man denkt und han-
delt sozialistisch, wenn man bestimmte Gebiete des Wirtschaftslebens ganz
in den Besitz oder den Betrieb der staatlich organisierten Gesellschaft bringen
will. Der Meinung, daß das nötig sei, können Politiker ganz verschiedener
Richtung sein, ja, die Regierung eines Staates, die sich vorwiegend auf
die bürgerliche Klasse stützt, kann sozialistische Bestrebungen haben und
fördern. „Sozialdemokratisch" nennt man eine politische Richtung, die
den Staat auf der demokratischen Grundlage aufbauen will, um ein soziales
Ziel, die Besserstellung der Arbeiterklasse in diesem besonderen Falle, zu
erreichen. Diese Besserstellung soll in sozialistischem Sinne erfolgen, d. h.
alle Mittel für die Erzeugung der Wirtschaftsgüter sollen in den Besitz der
staatlich organisierten Gemeinschaft übergehen. Nach Ansicht der Sozial-
demokraten müsse dann die demokratische Staatsform die Berücksich-
tigung der Rechte aller Klassen gewährleisten. Aber gerade in dem mon-
archischen Deutschland ist die Lage der Arbeiter befriedigender als in den:
„demokratischen" Frankreich.
Der Kommunismus hat mit dem Sozialismus vieles gemeinsam. Er unter-
scheidet sich von ihm eigentlich bloß dadurch, daß er nicht nur die Produktionsmittel,
sondern auch alle Konsumtionsartikel, d. h. Verbrauchsgegenstände, in den Besitz der
Gesellschaft überführen will. Der Sozialismus will also das Privateigentum nicht
ganz aufheben, dem einzelnen mithin eine gewisse Freiheit lassen, während das beim
5*
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Deutschland Frankreich
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I. Staatsverfassung. B. Brandenburg-Preußen-Deutschland
fassung. Der Präsident, von allen Staatsbürgern an einem Tage gewählt,
ist der Vertrauensmann des gesamten Volkes und tritt dem Kongreß (Senat
und Repräsentantenhaus) als selbständige Macht gegenüber.
d) Tie französische Republik und die Militärmonarchie.
Qu 1,12 Die französische Republik will als „république une et indivi-
ix, 289 8 i ble" den Einheitscharakter des französischen Staats aufrechterhalten.
Das Volk wählt unmittelbar nach dem allgemeinen und gleichen Wahl-
recht die Deputierten zur Kammer. Besondere Wahlkollegien wählen die
Senatoren. Den Präsidenten wählt die in Versailles zusammentretende, aus
beiden Häusern gebildete Nationalversammlung. Das vom Präsidenten
gebildete Ministerium ist aus der Abgeordnetenkammer genommen und
ganz und gar von der Kammer abhängig. Da alle Staatsümter im letzten
Grunde auf Volkswahlen zurückgehen, so hat man also dem Grundsätze
der Volkssouveränität durch das sogenannte parlamentarische System ent-
sprochen.
Qu. i, i2 Die Herrschaft der beiden Napoleons war eine Militärmonarchie, deren Ober-
haupt unmittelbar vom Volke gewählt, den Titel „Kaiser der Franzosen" führte. Das
napoleonische Kaisertum umgab sich mit parlamentarischen Formen (corps législatif),
ix, 163. 210 Unumschränkte Herrschaft auf demokratischer Grundlage macht diese Staatsform der
griechischen Tyrannis ähnlich.
6) Die konstitutionelle Monarchie.
Es gibt in Europa eine ganze Reihe konstitutioneller, verfassungs-
mäßig beschränkter Monarchien. Das parlamentarische System Frank-
ix, 215 208.214 reichs findet sich in Belgien, Spanien, Italien und in den Balkanstaaten
wieder. In England herrscht das Unterhaus, aus dessen Mehrheitspartei
der König die Minister wählt. Das Wahlrecht ist aber nicht allgemein,
da es bestimmten Einschränkungen durch das Einkommen unterliegt. Eine
Volksvertretung im modernen Sinne ist das Unterhaus erst seit der Par-
Ix. 218 lamentsreform von 1832. Eine starke, aber durch die verfassungsmäßige
parlamentarische Vertretung beschränkte Monarchie besieht in Preußen,
ix,229.202.292 Österreich-Ungarn, Rußland. Hier ist der Monarch nicht genötigt, die
Minister aus der parlamentarischen Mehrheit zu nehmen. Die Minister
sind Vertrauensmänner der Krone und müssen das Vertrauen der Volks-
vertretung gewinnen.
L. Brandenburg-Preußen-Dentschland.
Ix. 19 1. Der Ständestaat 1415—1640.
Das Ständetum, aus dem Mittelalter überkommen, hatte im Staate
Brandenburg während der Regierung der hohenzollernschen Kurfürsten eine
starke selbständige Bedeutung.
Neben dem Kurfürsten stand als Beirat der ständische Landtag. Er hatte das
Recht der Steuerbewilligung, die Mitwirkung bei der Landesverwaltung und somit
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